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Umgang mit Ängsten: Systemische Ansätze für mehr Leichtigkeit im Leben

Worum geht es? Ängste gehören zum Leben – doch was, wenn sie zu viel Raum einnehmen? In diesem Beitrag geht es darum, wie ein neuer Umgang mit Ängsten helfen kann, sich ein gutes Leben zu gestalten. Ich stelle systemische Ansätze vor, die dabei unterstützen, Ängste zu verstehen, ihnen ihren Schrecken zu nehmen und mehr Leichtigkeit ins Leben zu bringen.

Ängste und Sorgen: Ein natürlicher Teil unseres Lebens

Angst ist ein ganz natürliches Gefühl. Sie warnt uns vor Gefahren und bereitet uns auf Herausforderungen vor. Doch was passiert, wenn dieses Gefühl überhand nimmt? Wenn Ängste beginnen, unseren Alltag zu belasten und unserem Leben die gewünschte Leichtigkeit rauben?
Viele Klient:innen kommen mit dem Wunsch zu mir, die Angst einfach loszuwerden. Ein verständlicher Wunsch, denn die Vorstellung eines Lebens ohne Ängste wirkt oft so verlockend – unbeschwert, frei und leicht. Doch Ängste, so unangenehm sie sich auch anfühlen mögen, haben in erster Linie einen Sinn. Sie erfüllen eine wichtige Aufgabe, genau wie jedes andere Gefühl.
Mann mit Angststörung: in der Therapie oder Beratung

Die Angst aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten

Um die eigene Angst besser zu erkunden, kann es hilfreich sein, verschiedene Beziehungsebenen zu betrachten. Oft liegt der naheliegendste Schritt darin, die Angst im Kontext einer konkreten Situation zu untersuchen: Wovor genau habe ich Angst? Was macht diese Situation für mich so bedrohlich? Welche Worst-Case-Szenarien gehen mir durch den Kopf? Und schließlich: Wie würde mein Leben und diese konkreten Situationen aussehen, wenn diese Angst nicht da wäre? Diese Reflexion kann bereits wertvolle Erkenntnisse bringen.

Doch darüber hinaus gibt es weitere wichtige Perspektiven:

• Die Beziehung zur Angst selbst

Wie stehe ich zu meiner Angst? Ist sie für mich ein Feind, den ich bekämpfen muss, oder ein Signal, das ich verstehen kann? Viele Menschen nehmen Angst als etwas rein Negatives wahr, das es um jeden Preis loszuwerden gilt. Dadurch kann sich eine „Angst vor der Angst“ entwickeln – das Gefühl, der Angst ausgeliefert zu sein oder sie um jeden Preis vermeiden zu müssen. Ängste – in einem gesunden Maß – sind vor allem eines: zutiefst menschlich und wichtig. Sie schützen uns, machen uns auf potenzielle Gefahren aufmerksam, schärfen unsere Wahrnehmung und Reaktionsfähigkeit und tragen zu einem harmonischen gesellschaftlichen Miteinander bei.

• Die Beziehung zu mir selbst

Wie gehe ich mit mir um, wenn ich Angst habe? Behandle ich mich mit Mitgefühl oder verurteile ich mich dafür? Häufig entsteht innerer Druck durch den Glauben, Angst sei ein Zeichen von Schwäche. Doch Angst zu haben, macht uns nicht weniger wertvoll – sie ist ein Teil unseres Menschseins. Sich selbst wohlwollend zu begegnen, auch in Momenten der Angst, kann eine entscheidende Veränderung sein.

• Die Beziehung zu meiner Umwelt

Wie wurde in meiner Familie mit Angst umgegangen? Wie offen sprechen Freunde über Ängste? Welche gesellschaftlichen Normen und Überzeugungen prägen mein Bild von Angst? Sätze wie „Angst haben ist schwach“, „Männer dürfen keine Angst haben“ oder „Ich bin weniger wert, wenn ich Angst habe“ sind tief in vielen von uns verankert. In der systemischen Arbeit kann hier z. B. die Genogrammarbeit aufzeigen, welche Muster über Generationen hinweg in der Familie weitergegeben wurden. Dabei wird die Familienstruktur über mehrere Generationen hinweg betrachtet, um Beziehungen, wiederkehrende Themen und emotionale Dynamiken sichtbar zu machen. So kann deutlich werden, welche Überzeugungen zum Thema Angst in der Familie weitergegeben wurden – welche davon hilfreich für Sie sind und wo es Spielraum für neue Perspektiven gibt. 
Leichtigkeit ins Lebens lassen: Ängste und Angststörungen therapien

Statt “Angst therapien”: Einen neuen Umgang mit Ängsten finden

In meinen Beratungen geht es nicht darum, die “Angst zu therapien”, sondern sie zu verstehen und einen neuen, hilfreichen Umgang mit ihr zu finden. Gemeinsam erkunden wir, was wirklich hinter dem Wunsch steckt, die Angst loszuwerden. Wie würde sich eine Veränderung anfühlen? Wer in Ihrem Umfeld würde sie zuerst bemerken, und welche neuen Möglichkeiten würden sich dadurch eröffnen? Was wäre plötzlich leichter, was heute noch schwerfällt? Und vielleicht gibt es sogar Wege, diesen Wandel gemeinsam mit der Angst an der Seite zu gehen – statt gegen sie anzukämpfen.

Der Wunsch, die Angst vollständig loszuwerden, ist verständlich. Die eigentliche Herausforderung besteht darin, ihr nicht die Kontrolle über unser Leben zu überlassen. Es geht darum, die Angst als Teil unserer Erfahrungen anzuerkennen, ohne von ihr beherrscht zu werden. Denn der Versuch, sie um jeden Preis zu vermeiden, kann paradoxerweise dazu führen, dass wir eine „Angst vor der Angst“ entwickeln – und eine völlige Sicherheit, dass sie nie wiederkommt, gibt es ohnehin nicht.

Wenn wir jedoch lernen, mit der Angst umzugehen, kann sie ihren Schrecken verlieren. Wir wissen dann: Selbst wenn sie auftaucht, können wir sie aushalten und unser Leben weiterhin selbstbestimmt gestalten. Wenn sich Ängste in Endlosschleifen aus negativen Gedanken verfangen oder das Gefühl überwältigend wird, kann professionelle Unterstützung helfen, wieder mehr Leichtigkeit in den Alltag zu bringen.

Die Angst erkunden: Arbeit mit systemischen Methoden

Um die Angst besser zu verstehen, kann es hilfreich sein, ihrer Stimme zunächst einmal zuzuhören. In der systemischen Arbeit kann hier zum Beispiel mit ”inneren Anteilen” gearbeitet werden. Wir Systemiker:innen gehen davon aus, dass „mehrere Herzen in unserer Brust“ schlagen – verschiedene Anteile in uns, die in unterschiedlichen Situationen aktiv werden. Neben einem ängstlichen Anteil tragen wir beispielsweise auch einen mutigen oder abenteuerlustigen Anteil in uns.
Gerade der ängstliche Anteil, den viele Menschen gern loswerden möchten, kann eine wertvolle Botschaft für uns haben. Wenn wir ihn liebevoll betrachten und ihm Raum geben, anstatt ihn zu verdrängen, kann sich eine neue Perspektive eröffnen: Was möchte dieser Anteil uns sagen? In welchen Momenten ist er besonders präsent, und wann zieht er sich vielleicht sogar zurück? 

Neben der Arbeit mit inneren Anteilen kann auch die Methode der Externalisierung helfen, die Angst greifbarer zu machen. Externalisierung bedeutet, die Angst als etwas zu betrachten, das nicht identisch mit der eigenen Person ist, sondern als etwas, das außerhalb existiert. Es kann einen Unterschied machen zu sagen „Ich bin ängstlich“, oder „Die Angst meldet sich zu Wort“. Durch diesen Perspektivwechsel entsteht ein neuer Handlungsspielraum: Die Angst wird nicht mehr als unveränderbare, eigene Identität erlebt, sondern als etwas, mit dem man in den Dialog treten kann.

Oft hilft es, der Angst eine konkrete Gestalt zu geben: Wie sieht sie aus? Wie spricht sie? Welche Rolle nimmt sie ein? Was ist ihre gute Absicht? Wenn die Angst eine Form bekommt, wird sie oftmals weniger überwältigend – und wir können bewusst entscheiden, wie wir mit ihr umgehen möchten.

Eine systemische Begleitung unterstützt dabei, ein gesundes Gleichgewicht zu finden: Die Angst darf als Anteil von uns bleiben, der uns begleitet, aber nicht die Hauptrolle spielt.
Weg zur Leichtigkeit – Umgang mit Ängsten

Raus aus der Comfort Zone: der einzige Weg?

Der Umgang mit Ängsten erfordert nicht immer den Weg der Konfrontation, obwohl wir das oftmals so gelernt haben. Es gibt keinen festen Plan, den alle befolgen müssen. Viel wichtiger ist es, den Weg zu finden, der individuell zu Ihnen passt. 

Natürlich kann es hilfreich sein, sich Herausforderungen zu stellen und zu erleben, dass die befürchteten Szenarien vielleicht gar nicht eintreten oder weniger schlimm sind, als man dachte. Solche Erfahrungen können bestärken und neue Handlungsspielräume eröffnen. Doch das ist nicht der einzige Weg, um mit Ängsten zu arbeiten. 

Genauso wertvoll ist es, das eigene Umfeld mutig so zu gestalten, dass es Sicherheit und Wohlbefinden bietet. Sich selbst und die eigenen Grenzen ernst zu nehmen, ist ein Zeichen von Selbstfürsorge, nicht von Schwäche. Denn es geht darum, sich ein Leben zu gestalten, das sich stimmig und lebenswert anfühlt – ohne den Druck, sich ständig überwinden zu müssen.
Ein bewusster Umgang mit der Frage, welche Schritte für Sie individuell sinnvoll und machbar sind, steht dabei im Mittelpunkt. Egal ob es das Erkunden neuer Wege oder das liebevolle Anpassen der eigenen Umgebung ist – beides ist mutig, beides darf sein. Denn am Ende zählt, dass es ein Leben wird, das zu Ihnen selbst passt und in dem Sie sich wohlfühlen.

Wie geht es weiter?

Vielleicht haben Sie beim Lesen erste Gedanken dazu gehabt, welcher Weg für Sie passend sein könnte. Möchten Sie Ihre Angst besser verstehen und einen neuen Umgang mit ihr finden? Dann begleite ich Sie gerne dabei. Sind Sie unsicher, ob Sie mit Ihren Ängste oder Ihrer Angststörung in systemischer Beratung richtig sind? Melden Sie sich gerne und wir besprechen das unverbindlich.

In einem unverbindlichen Erstgespräch können wir gemeinsam schauen, ob eine systemische Beratung für Ihr Anliegen geeignet ist und ob Sie sich mit mir wohlfühlen. Schreiben Sie mir gerne eine E-Mail an hallo@systemische-therapie-heinzerling.de oder schreiben Sie mir über mein Kontaktformular, und wir besprechen die nächsten Schritte. Ich freue mich auf Sie!
Quellen:

Schweitzer J., von Schlippe A.: Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung II. Das störungsspezifische Wissen. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006
Schumacher, B.: Systemische Angsttherapie – in einer Sitzung. Teil 1. Familiendynamik 33 (Heft 1): 16–33. Klett-Cotta, Stuttgart 2008
https://www.deignis.de/magazin/artikel/systemische-angstbehandlung